HOCHHAUSENSEMBLE AM ALEXANDERPLATZ
Projekt 3
Wintersemester 2015/2016
Der Alexanderplatz in Berlin, der diesen Namen seit dem Jahr 1805 trägt, wandelte seine Platzfigur im Laufe seiner geschichtlichen Entwicklung immer wieder entsprechend der fortschreitenden Bebauung der angrenzenden Quartiere, die nach und nach in ihrer städtebaulichen Prägung verdichtet und verfestigt wurden.
Erst Martin Wagner legte im Jahr 1930 mit seinem Vorschlag zur Gestaltung eines „Weltstadtplatzes“ ein Gesamtkonzept für den Alexanderplatz vor. Aus dieser Planung wurden bis zum Ausbruch des 2. Weltkrieges nur die begrünte Mittelinsel und die beiden Behrends’schen „Torhäuser“ realisiert. Diese wurden nach teilweisen Zerstörungen nach dem Krieg wieder aufgebaut und bilden noch heute einen Festpunkt für alle Neuplanungen.
In Zeiten der DDR wurde das „hauptstädtische Zentrum“ eher als weitläufige Raumfolge mit extrem aufgeweiteten Verkehrsachsen verstanden. Der zeitnah nach der „Wende“ durchgeführte Wettbewerb zur Neugestaltung des Alexanderplatzes, den das Büro von Prof. Hans Kollhoff für sich entscheiden konnte, definiert den „Alex“ als prägnanten Ort im wiedervereinigten Zentrum von Berlin, der durch ein Ensemble aus Hochhäusern weithin sichtbar markiert werden und eine großstädtische Platzraumidee in seinem Innern erfahrbar machen soll. Der aktuelle Bebauungsplan für den gesamten Bereich fundiert auf dem, im Laufe der Jahre etwas variierten, Wettbewerbsentwurf. Die Grundfigur der Kollhoff’schen Planung ist auch Basis der Aufgabenstellung des P3-Entwurfes in diesem Semester.
Ein Blick zurück in die Geschichte zeigt, dass der Bau von Türmen, zu deren Kategorie schlussendlich ja auch die Hochhäuser gehören, schon immer eine Leidenschaft des Menschen gewesen zu sein scheint – es kommen einem unweigerlich Bilder vom Turmbau zu Babel, den Geschlechtertürmen von San Gimignano, dem Eifelturm aber natürlich auch von den frühen Hochhäusern aus dem Ende des 19. Jahrhunderts in Chicago und New York in den Sinn. Die weltweit Aufsehen erregenden Wettbewerbe für ein Hochhaus am Bahnhof Friedrichstraße in Berlin (1921) und für den Chicago Tribune Tower (1922) waren Sinnbilder für einen architektonischen Aufbruch. Die ersten Hochhausbauten wurden dabei meist aus Gründen der Knappheit des Baugrundes und hoher Grundstückskosten im dichten Gefüge der Städte errichtet. Weitere Gründe, die für den Bau von Hochhäusern relevant waren und nach wie vor sind, beziehen sich auf die städtebauliche Akzentuierung bestimmter Orte sowie den Drang der Bauherren, sich mit dem Bauwerk entsprechend zu repräsentieren. Egal, welcher Grund zum Bau eines Hochhauses führt – seine besonders prägnante Erscheinung im direkten städtischen Kontext und mitunter weit darüber hinaus verlangt vom Architekten und Ingenieur eine besondere Sensibilität und Ernsthaftigkeit beim Entwurf, um der spezifischen Bedeutung dieser Bauaufgabe gerecht zu werden. Tragen und Lasten und deren visuelle Umsetzung beim leichten Emporstreben des Körpers aus der Physiognomie der Stadt haben beim Bau von Hochhäusern eine völlig andere Bedeutung, als dies bei anderen Bauaufgaben der Fall ist.
Über seine Basis verbindet sich der Körper mit der städtischen Struktur und wird so Teil des städtischen Gefüges – die Nutzung dieser Bereiche muss zwangsläufig eine städtische sein. Über den emporstrebenden Schaft sowie den Gebäudeabschluss determiniert sich das Haus über den eigentlichen Standort hinaus im städtischen Kontext und setzt so im wahrsten Sinne des Wortes ein weithin sichtbares bauliches Zeichen. Dieses Zeichen bedarf eines architektonisch-konzeptionellen Ansatzes, der die vorgegebene Nutzung in angemessener Weise dramatisiert.
Heute sind die Probleme, mit denen die Protagonisten des Hochhausbaus zu kämpfen hatten weitestgehend gelöst – die Vor- und Nachteil der unterschiedlichen Baumaterialien sind bekannt, die Erschließung über extrem schnelle Aufzüge ist gesichert, die Versorgung mit Medien jeglicher Art funktioniert reibungslos. Die heutigen Fragen beziehen sich eher auf die Optimierung der Konstruktionsweise und des Materialeinsatzes, der Energiebilanz und des Grundrisses. Darüber hinaus geht es uns um den Entwurf einer dem Ort und der Nutzung angemessenen architektonischen Gestalt und Erscheinung, die sich in der kohärenten Komposition der Baufigur bezüglich Form und Inhalt sowie der tektonischen Durchbildung zeigt. Die Wahl des Standortes im historischen Zentrum der Bundeshauptstadt mit ihrem auch international wahrgenommenen und diskutierten Verständnis von Stadt und Architektur bietet somit für diese Anforderungen einen besonders reizvollen, gar delikaten Rahmen.
Herausgeber
Technische Universität Dortmund
Fakultät Architektur und Bauingenieurwesen
Lehrstuhl Gebäudelehre
Prof. Vertr. Olaf Schmidt I Prof. Vertr. Michael Schwarz
2016