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Fakultät Architektur und Bauingenieurwesen

Das Kaufhaus

Internationale
Frühjahrsakademie
Ruhr 2024

Digitaler Einblick

Plätze und Orte für den Handel, die historisch als Märkte unter freiem Himmel auch heute noch regional bestehen und rege genutzt werden, sind als Ursprung der hier zu untersuchenden Kauf- bzw. Warenhäuser im kulturellen wie auch im baukulturellen Erbe verankert.

Waren und sind in dieser Ausprägung die architektonischen Formungen meist rudimentär ausgeprägt, allenfalls auf die leichten Konstruktionen als Witterungsschutz und die Verkaufsstände selbst begrenzt, so ist doch die stadtbauliche Rahmung, nicht nur als malerische Kulisse sondern auch als räumliche Grenze, als lokale Determination des Handelsortes und seiner spezifischen Regeln und Vorschriften, von höchster Präsenz.

Das Überbauen des Markt-Platzes, die architektonisch konkrete Formung, also das Haus bzw. aufgrund der großen Ausdehnung die Halle, findet sich bis zur Spätantike in der Basilika wieder und schreibt sich in den späteren Markthallen fort. Unterschiedlichste Handelsgüter und Waren unter einem Dach charakterisieren diese Bauten, wahlweise als großer, flächenorientierter, nur das Erdgeschoss überbauender Solitär oder als über mehrere Geschosse entwickelter Stadtbaustein, der freistehend oder als Haus in der Reihe bzw. in der Platzfront als typologisch eindeutige Architektur noch heute in einigen Inkunabeln der Architektur und des Städtebaus fortbesteht.

Die Wechselwirkung von Stadt und Haus ist als Mittel zum Zweck den

Kundenströmen und der guten verkehrlichen Erreichbarkeit gewidmet. Im städtischen System von Plätzen und Wegen agieren die Kauf- bzw.

Warenhäuser regelmäßig prominent. Selbstverständlich ist auch hier die merkantile Grundaufgabe der Bauten wesentliche Ursache, nichtsdestotrotz übernehmen diese hochwertigen Architekturen weitere Aufgaben in der Stadt. So zählen Adressbildung und Orientierung ebenso dazu wie die zeitgenössisch fortgeschriebenen Qualitätsentwicklungen der Architektur und der zugrundeliegenden Konstruktion in deren permanenter Präsenz im öffentlichen Raum. Angebote für die Stadtgesellschaft werden nicht nur innerhalb der auf Verkauf ausgerichteten Häuser, sondern auch in deren unmittelbarer Umgebung gemacht. Arrondierte Plätze, Gastronomie und häufig auch begleitende Arkaden oder andere Überdachungen im Übergang von städtischem Raum und Haus bieten vielfältige Aufenthaltsqualitäten. Während die Grundlagen der Stadt, die Verfügbarmachung und Qualität von öffentlichen Räumen als Konstante betrachtet werden müssen, sind die Randbedingungen von Handel und Konsum, von Bedarf und Versorgung einem fortlaufenden Wandel unterworfen.

Wie zunächst aus den Kernstädten ausgelagerte so genannte „Einkaufszentren“, häufig mit marketingträchtigen, gelegentlich kurios anmutenden Namen tituliert, eine immense Verlagerung von Kundenbewegungen und Kaufkraft erzeugt haben, so ist die Globalisierung zusammen mit der Digitalisierung ein akuter Einflussfaktor auf den wirtschaftlich rentablen Bestand von insbesondere innerstädtischen Kauf bzw. Warenhäusern. Regelmäßige Berichterstattungen über Schließungen, Teilschließungen bzw. hastig und für kurze Dauer angelegte Interimslösungen in Form von konstruierten Mehrfachnutzungen mit eigenwillig diversen Funktionsmischungen begleiten die Stadtöffentlichkeit ebenso wie die Planungsverantwortlichen in den Verwaltungen und der Politik und auch uns, Architektinnen und Architekten. Der faktische Leerstand mit seinen

Begleiterscheinungen von Qualitätsverlust bis hin zur Verwahrlosung der Immobilien, der Architekturen, hat neben den einzelnen akuten Folgen darüber hinaus weitere Konsequenzen für die Wahrnehmung der Stadt. Dominohafte Kettenreaktionen bedrohen die Ökonomie und als Folge auch die Möglichkeiten für die Unterhaltung sämtlicher weiterer städtischer Qualifikationen.

Somit sind wir aufgefordert, über den Bautypus grundsätzlich und nicht nur als ein lokales oder regionales Phänomen nachzudenken, diesen kritisch zu befragen und last not least zukunftsfähige Alternativen oder besser noch eine kluge Fortschreibung als innerstädtisch relevante Architekturen zu erarbeiten.

Die lokale Fokussierung – wie auch in allen elf vorangegangenen Internationalen Frühjahrsakademien – zielt auf die Kernstadt Dortmunds. Sämtliche vorgenannte Parameter gelten für die ausgewählten Standorte am Hellweg, dem seit Jahrhunderten bezeugten internationalen Handelsweg und den dortigen Kauf- und Warenhäusern.

Es sind Häuser die mit Vollsortiment gleichsam „als kleine Einkaufsstadt in einem Haus“ oder als Textilkaufhäuser einer einzelnen Sparte gewidmet sind.

Allen drei Standorten und somit allen drei Gebäudeensembles ist zunächst die Adresse am Hellweg und die Artikulation von Fassaden und Eingängen in den hochfrequentierten Weg-Raum im Herzen von Dortmund gemein.

Lokal spezifisch reagieren die Häuser auf weitere Details. So platzieren sich die Häuser von „C & A“ und „Peek & Cloppenburg“ ebenso wie die Häuser von „Kaufhof“ und „Saturn“ jeweils im Ensemble mit den wichtigen Stadtkirchen Dortmunds, zum einen im Kontext von St. Reinoldi und St. Marien, zum anderen im vis-a-vis zu St. Petri mit den unterschiedlich ausgebildeten, jedoch eindeutig als öffentlicher Raum gestalteten Umgebungen. Diese Merkmale, große öffentliche Räume im Kontakt zu den Häusern sowie der verbindende Weg des Hellweg gelten in gleicher Weise für den dritten Standort der Häuser von „Karstadt“ und ehemals „Mayersche Buchhandlung“. Das zentrale Wegekreuz von Hellweg und Hansastraße sowie die anschließenden Platzräume von Alter Markt und Hansaplatz auf der einen und dem Boulevard der Kampstraße auf der anderen Seite definieren den Kontext in einer anderen Weise, stellen die Fragen nach den Dimensionen von Haus und Raum möglichweise mit einem anderen Akzent, fordern zu architektonisch feiner Stufung der drei Standorte heraus.

Aufbauend auf der analytischen Betrachtung der drei Standorte mit den

jeweiligen Kauf- und Warenhäusern gilt es im Rahmen der Internationalen

Frühjahrsakademie 2024 für die einzelnen Orte angemessene, konkrete

Entwurfsvorschläge zur städtebaulichen und architektonischen Reaktion zu erarbeiten und in diesem Zuge das Wesensmerkmal eines „gemischten Hauses“, einer zwar funktional eindeutigen Architektur, jedoch in gewisser Weise auch als Hybrid zu verstehende Grundlage auch im Sinne einer gemischten Stadt weiter zu entwickelten.

Herausgeber

Technische Universität Dortmund
Fakultät Architektur und Bauingenieurwesen
Lehrgebiet Internationale Frühjahrsakademie
Prof. Olaf Schmidt I Prof. Michael Schwarz

In Zusammenarbeit mit

TU Eindhoven
Department of the Built Environment
Architectural Urban Design and Engineering
Rational Architecture
Haike Apelt

Università degli Studi di Napoli Federico II
Dipartimento di Architettura
Prof. Federica Visconti I Prof. Renato Capozzi

Fachhochschule Potsdam
Architektur und Städtebau
Prof. Silvia Malcovati

University of Strathclyde Glasgow
Architecture - Urban Design
Prof. Sergio Porta

Ghent University
Department of Architecture and Urban Planning
History of Architecture and Architectural Design
Prof. Dirk de Meyer

Druck

Druckverlag Kettler GmbH, August 2024

Cover der Publikation zur Internationalen Frühjahrsakademie 2024 - "Das Kaufhaus"